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| 08.11.2014
Das Jahr mit Karin Brosa
Ein Luftballon-Clown grinst vom Deckblatt, davor gibts schwäbisch-hällische
Hinterteile zu bestaunen. Karin Brosa, 14. Gaildorfer Stadtmalerin, hat aus
ihren Arbeiten einen Kalender zusammengestellt.
Den Februar ziert natürlich das schon berühmte Pferdemarktbild: Zwei
Personen, die unschwer als Ilona Bullinger und Martin Zecha zu erkennen sind,
schieben Pferdefuhrwerke auf einem Tisch umher. Es ist die komischste der oft
komischen, skurrilen, rätselhaften und poetischen Szenerien, auf die man blickt,
wenn man den Kalender durchblättert, den Karin Brosa, die 14. Gaildorfer
Stadtmalerin, für das Jahr 2015 gestaltet hat.
Neun der insgesamt zwölf Gemälde und Grafiken sind in Gaildorf entstanden,
der Rest im Jahr davor. Und nicht nur der Februar enthält lokale Bezüge: das
Alte Schloss und sein Fachwerk sind zu entdecken, hinzu kommen studienhafte
Blätter, die nach einem Besuch im Bauern- und Technikmuseum in Seifertshofen
entstanden sind.
Karin Brosa verwendet einmal gefundene Bildelemente gerne wieder und
entwickelt sie weiter. In Gaildorf sind neue Elemente hinzugekommen: Luftballons
beispielsweise und ein grüner Kaktus, dessen Bild Brosa aus der Bekanntschaft
mit dem Gaildorfer Apotheker Simon Müller geschöpft hat - Müllers "Skrupellose
Hausmusik" hat auch das Kaktus-Lied der Comedian Harmonists im Programm.
Schweine tummelten sich zwar schon vorher in Brosas Werk, nun aber tragen sie
die Zeichnung der schwäbisch-hällischen Schweine. "Schweine, Schlösser und
Kakteen" ist denn auch Brosas Abschlussausstellung überschrieben, die am 23.
November im Wumbrandsaal im Alten Schloss eröffnet wird. Und die "Skurrile
Hausmusik" sorgt dann für den passenden Sound.
Die Idee, das Stadtmalerjahr in einem Kalender zusammenzufassen, stammt von
Karin Brosas Vorgängerin, Anastasiya Nesterova. Sie stieß bei Bürgermeister
Frank Zimmermann, der damals noch Beigeordneter war, auf offene Ohren. Die
Sparkasse habe sich zum Sponsoring bereit erklärt, berichtete Zimmermann
gestern, als Karin Brosa die fertigen Kalender im Rathaus vorbeibrachte. Auch
die Bürgerstiftung hat sich beteiligt, und beide haben auch die Herstellung des
neuen Kalenders unterstützt, die mit etwa 4000 Euro zu Buche schlägt.
Zwischenzeitlich, so Zimmermann zufrieden, sei der Nesterova-Kalender, der
für 30 Euro das Stück verkauft wurde, komplett vergriffen. Und obwohl das Jahr
fast vergangen, das Werk also sozusagen "abgelaufen ist, gebe es immer noch
Nachfragen. Nesterovas Idee soll nach Möglichkeit beibehalten werden. Und an den
künftigen Stadtmalern wirds bestimmt nicht liegen. Eine solche Gelegenheit, sich
mit seiner Kunst zu präsentieren, nutze man natürlich gerne, sagt Karin Brosa,
die selbstredend auch nicht lange gebeten hatte werden müssen.
Info Den Kalender von Karin Brosa gibts für 30 Euro im Gaildorfer Bürgerbüro
und in der Tourist-Info, bei der Sparkasse und in den Gaildorfer Buchhandlungen,
in der Galerie im Alten Schloss sowie im RUNDSCHAU-Shop.
Die Welt - ein Regenbogen
Karin Brosa beugt sich über Sabrinas dottergelben Löwen: "Ein bisschen mehr
Mähne?" Die Künstlerin und derzeitige Gaildorfer Stadtmalerin hatte einen
Nachmittag lang die dritte und vierte Klasse der Bühläckerschule unter ihrer
Obhut.
Eine Woche davor waren es die Erst- und Zweitklässler. Die Fassaden der
Schule strahlen in neuem Glanz. Das soll mit einem Tag der offenen Tür am 4.
Juli gefeiert werden Der Anstrich des Hauptgebäudes in Farben des Regenbogens
brachte die Elternvertreterin Pia Schöck auf die Idee, "Regenbogen" zum Thema
eines malerischen Festbeitrags der Schüler zu machen.
Also ließ Karin Brosa die jungen Künstlerinnen und Künstler rote, gelbe,
grüne und blaue Gemälde anfertigen, die danach regenbogenartig gemischt
präsentiert werden sollen.
Die Arbeiten können sich sehen lassen. In Rot etwa Letitias Kleckse speiender
Vulkan, Jonas "Schreckgestalt" - eine Kreuzung zwischen, sagen wir mal, Zecke
und Büffel - oder Leas Haus mit Baum in eleganten Rottönen. Es gab aber noch
mehr zu sehen: In Blau Tobias "Bilderrahmen, in den man was reinmalt" (abstrakt,
versteht sich), Sayakas blauer Fujiyama in fein ziselierter Landschaft und
Samuels blaues Boot unter blauem Himmel auf blauen Wellen. Auch der Kapitän ist
blau. Man darf sich auf den Tag der offenen Tür freuen.
Seit drei Monaten residiert Karin Brosa als 14. Stadtmalerin im Alten Schloss. Neulich lud sie zum offenen Atelier, wo sie ihre Gemälde und Radierungen zeigte und verschiedene Druckverfahren demonstrierte.
In den Atelierräumen im Alten Schloss wird hart gearbeitet. Die Vorbereitungen für zwei Ausstellungen laufen: "Bruchstücke" solo in Ludwigsburg und "Radierung" mit anderen Grafikern zusammen in Stuttgart. Beide finden zeitgleich in der Woche vor Ostern statt.
Gehüllt in eine bodenlange Schürze empfängt Karin Brosa ihre Besucher.
Radierung kommt von lateinisch "radere" und bedeutet kratzen, wegnehmen,
entfernen: Zur Vorbereitung der Druckvorführung wird nicht nur das eingeätzte
Motiv auf der Kupferplatte, sondern auch die Künstlerin eingefärbt, weil sie die
Druckfarbe mit der bloßen Hand einarbeitet: "So hab ich das noch gelernt."
Brosa zeigt die Technik des Zweifarbendrucks
Sie erklärt Strichätzung und Aquatinta, zwei Methoden die sie gerne kombiniert. Auch zeigt sie, wie mit Hilfe von zwei Platten Zweifarbendruck entsteht. Nachdem die präparierte Platte auf feuchtem Bütten durch die Walzendruckpresse getrieben wird, entsteht ein sauberer Abdruck mit dem typischen Quetschrand. Im Nachbarraum hängen neben Aquatinta und Strichätzung auch Beispiele von Mezzotinto und Kaltnadelradierung.
Dem respektvollen Laien fällt es schwer auszumachen, was was ist: Radierung grenzt an alchemistische Zauberei. Im Gaildorfer Atelier bereitet die Künstlerin ihre Druckplatten nur vor. Geätzt wird in der Radierwerkstatt der Freien Kunstschule Stuttgart, in der sie an einem Tag pro Woche Studenten berät, die eine Kunstmappe erstellen wollen.
Ihre großflächigen Acryl- und Ölgemälde jedoch erschafft sie in Gaildorf. Die
beiden ersten - "Übergriff" beziehungsweise "Verwaltung" genannt - hat die
RUNDSCHAU schon beschrieben. Das dritte misst 1,80 bei 2,50 Meter, wurde mittels
Steckrahmen im Atelier zusammengesetzt und kann zum Transport zerlegt werden.
Stadtmalerin ist bekannt durch SWR-Serie
An den Inhalten von Brosas Werken wurde schon viel herum gedeutet. Ein treffliches Zitat aus dem Katalog "Nachtschicht" stammt von Vivien Moskaliuk: "Die Gemälde von Karin Brosa sind auf heitere Weise unheimlich." Als die Künstlerin nach dem Sinn einer Darstellung von alten Autoreifen mit Rehen - eine Zweifarben-Radierung - gefragt wurde, sagte sie: "Eines meiner Hauptthemen ist der Einfluss, den menschliches Tun auf die Kreatur hat." Aus dem Blickwinkel heraus wird wohl manches verständlich, auch die besondere Fürsorge, die sie ihrer sechs Monate alten Hündin angedeihen lässt.
Auf dem neuen, noch unfertigen Gemälde ist eine lebensgroße weibliche Figur dargestellt, die (an)klagend ein getötetes Schwein im Arm hält. Und dies inmitten einer Herde von Schwäbisch-Hällischen Landschweinen. Eine im wörtlichsten Sinne Heilige Johanna der Schlachthöfe? Auf absurde Weise erinnert die Szene mit den hellen, irgendwie nackt und schutzlos wirkenden Schweinekörpern auch an Darstellungen von Herodes` Kindermord.
Hundert Besucher kamen ins Atelier. Spätestens seit der SWR-Serie über Gaildorf ist die Stadtmalerin keine Unbekannte mehr. "Ich hab dich im Computer gesehen", teilte ihr Leony, die Enkelin des Gaildorfer Nachtwächters Siegfried Engel mit. Er selbst begrüßte Karin Brosa in einer Aura von "Wir Stars unter uns". Die Künstlerin hat sich eingelebt, nimmt Teil am Mittags- und Künstlerstammtisch, besucht Häberlen und Carthy´s, aber: "In der Kunst bin ich Einzelgängerin".
Ausstellungen "Radierung" in der Galerie Merkle (Breitscheidstraße 48, Stuttgart) vom 12. April bis 30. Mai: dienstags bis freitags, 14 bis 19 Uhr, sowie samstags, 11 bis 16 Uhr. "Bruchstücke" in der Studiengalerie der Pädagogischen Hochschule (Reuteallee 46, Ludwigsburg) vom 14. April bis 17. Mai, montags bis freitags, 9 bis 17 Uhr.
14. Gaildorfer Stadtmalerin: BM
Ulrich Bartenbach begrüßt Karin Brosa
Die Druckerpresse ist weg, jetzt wird wieder gemalt. Karin Brosa, 14. Gaildorfer Stadtmalerin hat Wohnung und Atelier im Alten Schloss bezogen.
Am Donnerstag
wurde sie offiziell willkommen geheißen.
Die erste Geschichte ist schon fast fertig: Das
großformatige Bild zeigt St. Georg in Polizeiweste, wie er auf seinem Pferd
gegen einige sympathisch guckende Drachen reitet, möglicherweise Spielkameraden
des verdutzten kleinen Mädchens am linken Bildrand.
Wer sich ein bisschen auskennt in der Kunstgeschichte
findet schnell zur Quelle: Das Bild "St. Georg und der Drache", das Paolo
Uccello um 1470 gemalt hat. Verweise auf diesen Meister der perspektivischen
Malerei finden sich öfter in den Arbeiten von Karin Brosa, die nun in der
Nachfolge von Anastasiya Nesterova als 14. Stadtmalerin ins Gaildorfer Schloss
gezogen ist. Auch populärkulturelle Anspielungen und Zitat kann man in ihren
Bildern entdecken - Brosas erzählende Kunst bringt Augen und Gedanken zum
Stolpern.
Die 36-jährige Künstlerin aus Tettnang hat zunächst
Pharmazie und dann, nach einigen Jahren als Apothekerin, Freie Grafik in
Stuttgart studiert, wo sie heute noch lebt, lehrt und arbeitet. Gestern wurden
sie und ihr Mischlingshund Lola vom Gaildorfer Bürgermeister Ulrich Bartenbach,
Gemeinderat Martin Zecha und Rolf Deininger vom Förderkreis offiziell begrüßt.
Traditionell erwarte man nichts von den Stadtmalern, sagte Bartenbach, man würde
sich aber über eine Abschlussausstellung und vielleicht auch eine kleine
Zwischenausstellung im Häberlen sehr freuen.
Offen ist noch, wie sich die Stipendiatin und die
Schlosssanierung vertragen werden. Bartenbach verhandelt derzeit mit dem
Landesdenkmalamt über die Wandisolierung an der Westseite, wo sich auch das
Stadtmaler-Atelier befindet. Diese Räume stehen allerdings über kurz oder lang
ohnehin nicht mehr zur Verfügung. Dann soll eine Wohnung im Torflügel zum
Atelier umgerüstet werden.
RICHARD
FÄRBER | 01.02.2014
Es darf auch gelacht werden . .
.
Den
ersten Rat hat sie schon verworfen: 1,7 auf 2 Meter sei das Maximalformat für
die Galerie im Alten Schloss, erfuhr Karin Brosa, 14. Gaildorfer Stadtmalerin,
bei ihrem Einzug. Sie mags gern größer.
St. Georg hat Unterstützung gekriegt in den letzten Tagen. Das großformatige
Gemälde, das Karin Brosa an die Wand des Stadtmaler-Ateliers im Alten Schloss
gehängt hat, ist um einige Figuren gewachsen. Nun steht ein Mensch mit Helm und
Schutzkleidung leicht gebeugt überm gutmütig dreinblickenden Gewürm und schaut
das kleine Mädchen mit der blauen Krone an, das vorher recht einsam am linken
Bildrand stand. Hinter ihm drängen noch mehr Behelmte, ein Polizeischild und
einige - noch - unbeschriftete Transparente sind zu sehen; rechts, wie gehabt
und wie im Renaissance-Vorbild, der Drachentöter als berittener Polizist.
Das gibt zu denken und das freut die Künstlerin. Wer eine etwas überzogene
Razzia im Kinderzimmer vermutet ist ihr ebenso willkommen wie jemand, der die
Unverhältnismäßigkeit der staatlichen Mittel im Umgang mit Kritikern oder eine
Metapher für alberne Denkverbote abgebildet sieht. "Es darf auch gelacht
werden", sagt Karin Brosa.
Die 35-jährige Künstlerin, von der man nicht so recht weiß, ob sie nun lieber
Geschichten malt oder malend erzählt, ist vor kurzem als 14. Gaildorfer
Stadtmalerin ins Alte Schloss gezogen. Mit ihr kam Paolo Uccello (1397-1475),
dessen "Schlacht von San Romano" bereits die Folie für einige ihrer Gemälde
lieferte und in dessen perspektivischem Meisterwerk "Der Heilige Georg und der
Drache" man die Figurenanordnung für Karin Brosas erstes Gaildorf-Bild entdecken
kann. "Gaildorfensia" gibts darin allerdings nicht zu sehen: Die Idee zu dem
Gemälde hat sie mitgebracht.
Aus Tettnang stammt sie. Dort, am Bodensee, ist Karin Brosa aufgewachsen und
zur Schule gegangen, hat ihre erste Mappe fertiggestellt und erfolgreich an der
Stuttgarter Kunstakademie eingereicht; sich dann aber - "ich wollte nicht ins
Lehramt" - doch lieber für die Pharmazie entschieden. Studium und ein
praktisches Jahr absolvierte sie in Freiburg, danach arbeitete sie noch zwei
Jahre als approbierte Apothekerin in Berlin ehe sie wagte, was sie sich vorher
nicht zugetraut hatte: ein Studium der Freien Grafik in Stuttgart und
anschließend eine Karriere als frei schaffende Künstlerin. Seit 2012 hat sie
auch einen Lehrauftrag für Radierung - "das gibt Sicherheit", sagt sie.
Karin Brosas Malereien und Grafiken sind technisch sehr anspruchsvoll und
immer gegenständlich. Allerdings malt sie nicht nach der Natur, sondern nach der
Fantasie. Sie steht damit in einer Tradition, die in der Historienmalerei
wurzelt, sich im Surrealismus ausgetobt hat und heute gerne auch mal Witze
reißt. Gottfried Helnwein, vor allem aber Ernst Kahl, Michael Sowa und Rudi
Hurzlmaier, bei dem sie auch schon einmal ein Seminar belegt hatte, stehen für
diese Kunst, die mit der geballten Macht altmeisterlicher Techniken nach Pointen
jagt.
Pointen findet man viele in der Kunst von Karin Brosa, in aufwendigen
Radierungen, Arcyl- und Ölgemälden: Wortspiele, Sinn- und Unsinnsbilder,
Absurditäten und Grotesken. Dahinter aber verbergen sich mitunter sehr komplexe
Vorgänge, kunstvoll verknüpfte Verweise und Zitate, die ganze Assoziationsketten
auszulösen vermögen und die Gedanken in Gegenden lenken, in denen man sich nicht
unbedingt wohlfühlt. Die "Versammlung" beispielsweise zeigt nicht nur eine Herde
von Schweinen im toten Gehölz, sondern auch die Überreste eines "Vorher": blauer
Stoff, gelbe Gummistiefel.
Auch in Gaildorf ist jetzt "vorher". Das zum Teil wohl auch sehr
großformatige "Nachher" wird zum Ende ihres Stadtmalerinjahres in die Galerie im
Alten Schloss hinauf getragen; in ihrer Abschlussausstellung wird man sehen
können, ob und welche Pointen Karin Brosa in der Schenkenstadt entdeckt hat, ob
und welche Geschichten sie zum Pinsel oder zur Radiernadel haben greifen lassen.